Als die 13-jährige Esperance eines Morgens in die Schule kam, musste sie feststellen, dass ihre Freundin Gloria den dritten Tag in Folge dem Unterricht ferngeblieben war. Das Fehlen war für Gloria untypisch, und Esperance machte sich Sorgen, dass etwas nicht stimmte. Nach der Schule eilte sie zu ihrer Freundin nach Hause, um nach ihr zu sehen. Als sie dort ankam, war sie erleichtert, dass Gloria in Sicherheit war. Aber ihre Freundin sah panisch aus. Als sie sie fragte, was los sei, flüsterte Gloria: "Ich blute und es hört nicht auf. Ich weiss nicht, was ich tun soll."

Esperance stellte Gloria ein paar Fragen, atmete dann erleichtert auf und erklärte ihr ruhig, dass sie ihre Periode habe. Esperance hatte einige Wochen zuvor an einer dreitägigen, von Right To Play organisierten Schulung mit dem Titel "Mein Leben, mein Plan" teilgenommen, in der Themen wie der Menstruationszyklus und Menstruationsmanagement behandelt wurden. Mit ihrem Wissen über das Thema, konnte Esperance ihre Freundin Gloria beruhigen. Sie fragte Esperance, ob sie sie in den wöchentlichen Leadership-Club ihrer Schule begleiten könne, in dem von Right To Play geschulte Lehrerinnen und Lehrer durch Aktivitäten und Diskussionen mit Mädchen in Kontakt treten.

"ICH HATTE SO VIELE FRAGEN DARÜBER, WAS ES IST, WIE ICH DAMIT UMGEHEN KANN, WIE LANGE DIE PERIODE DAUERT ODER OB ES MÖGLICH IST, WÄHREND DIESER ZEIT AM UNTERRICHT TEILZUNEHMEN." - ESPERANCE, 13


SICHERE RÄUME FÜR NEUGIERIGE KÖPFE SCHAFFEN

Esperance ist sehr engagiert in ihrem Studium. Außerdem hilft sie regelmäßig Kindern aus ihrer Nachbarschaft bei den Hausaufgaben. Und sie träumt davon, eines Tages Ärztin zu werden. Doch Informationen über sexuelle und reproduktive Gesundheit sind in ihrer Gemeinde nur schwer zu bekommen.

Vor den ersten Sitzungen wusste Esperance nicht, was sie von den Veränderungen in ihrem Körper erwarten würde, wenn sie in die Pubertät kommt. Wie viele Mädchen in ihrem Alter, die im Nyarugusu-Flüchtlingslager in Tansania leben, hatte sie keine formale Aufklärung zu diesem Thema erhalten, und starke kulturelle Tabus hielten ihre Eltern davon ab, mit ihren Töchtern über die Periode oder den Umgang mit Menstruationshygiene zu sprechen.

"Ich hatte gehört, dass einige Leute von "dieser Zeit" für Mädchen sprachen, aber ich wusste nicht, was das bedeutet. Ich hatte so viele Fragen darüber, was das ist, wie ich damit umgehen kann, wie lange die Periode dauert oder ob es möglich ist, während dieser Zeit am Unterricht teilzunehmen. Ich wusste nicht, ob sie jeden Monat auftritt oder ob ich eine Klinik aufsuchen muss", sagt sie.

In der Sitzung schufen die Moderatoren mit Hilfe von Spielen eine sichere, interaktive Umgebung, in der die Schülerinnen mit ihren Lehrerinnen in Kontakt treten und Fragen stellen konnten, um besser zu verstehen, was mit ihrem sich verändernden Körper passiert. Die Mädchen erhielten auch Anleitungen, wie sie ihren Freunden und Gleichaltrigen Unterstützung anbieten können.

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Esperance führt eine Freundin mit verbundenen Augen durch einen Hindernisparcours, indem sie nur ihre Stimme einsetzt - ein Spiel, das Kindern hilft, ihre Kommunikationsfähigkeit zu verbessern.

EMPOWERMENT DURCH WISSEN

Die Kindheit von Esperance ist durch Traumata von Gewalt und Vertreibung geprägt. Ihre Familie war schon vor ihrer Geburt auf der Flucht vor den Gewaltwellen in ihrem Heimatland Burundi. Als Esperance' Mutter mit ihr schwanger war, wurde Esperance' Vater von den Behörden verfolgt und gezwungen, den Kontinent zu verlassen. Ihre frühe Kindheit verbrachte sie in Burundi, bis die instabile politische Lage die Familie 2015 dazu veranlasste, die Grenze nach Tansania zu überqueren und sich im Flüchtlingslager Nyarugusu niederzulassen.

In dem Lager sind Esperance und andere Mädchen mit vielen Hindernissen konfrontiert, die sie vom Schulbesuch abhalten. Dazu gehört auch das fehlende Wissen über sexuelle und reproduktive Gesundheit. In einigen Haushalten zögern die Eltern, mit ihren Töchtern über den Umgang mit der Menstruation zu sprechen, weil sie befürchten, dass mehr Wissen über die Periode sie zu verfrühten sexuellen Aktivitäten verleiten würde. In anderen Haushalten diktieren patriarchalische Traditionen, wie sich Mädchen zu verhalten haben und was sie wissen dürfen. Einigen Mädchen ist es untersagt, Essen für die Familie zuzubereiten und die Bäder der Familie zu benutzen, oder es wird erwartet, dass sie getrennt vom Rest der Familie schlafen, wenn sie ihre Periode haben. Gespräche über die Pubertät, die sexuelle Gesundheit und die Periode sind nicht erwünscht, was zu Scham und Peinlichkeit führt.

"WIR WURDEN DARAUF VORBEREITET, MIT UNSEREN LEHRERN SELBSTBEWUSST UND MIT DEM NÖTIGEN WISSEN ÜBER UNSERE MENSTRUATION ZU SPRECHEN UND UNSERE SORGEN ZU ÄUSSERN." - ESPERANCE, 13

Der School Leadership Club ist ein sicherer Ort, an dem Esperance und andere Mädchen alles wichtige über sexuelle Gesundheit, Sicherheit und Rechte lernen und offen darüber sprechen können, was mit ihrem Körper passiert. Die Mädchen nehmen auch an spielerischen Aktivitäten teil, die ihnen helfen, soziale Barrieren zu überwinden, Lebenskompetenzen aufzubauen und zu lernen, wie man ein Vorbild ist.

"Durch diese Aktivitäten können wir uns mit Lehrern und Clubmitgliedern aus anderen Schulen treffen und Ideen austauschen. Wir wurden darauf vorbereitet, mit unseren Lehrerinnen und Lehrern selbstbewusst und mit dem nötigen Wissen über unsere Menstruation zu sprechen und unsere Sorgen zu äussern."

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Esperance und Mädchen aus dem Leadership Club spielen ein Spiel namens "Over Under", das Teamwork und Zählfähigkeiten fördert.

VERBESSERUNG DES ZUGANGS ZU HYGIENEARTIKELN

Der Norwegische Flüchtlingsrat (NRC) und das UNHCR verteilen wiederverwendbare Damenbinden an Mädchen und Frauen im Alter von 16 bis 49 Jahren, die im Lager leben, und ermöglichen so Tausenden von Frauen den Zugang zu Hygieneartikeln. Mädchen, die ihre Periode vor dem 16. Lebensjahr bekommen, bleiben jedoch aussen vor, und dieser fehlende Zugang kann die Fähigkeit der Mädchen, die Schule zu besuchen und an ihr teilzunehmen, erheblich beeinträchtigen. Man schätzt, dass Mädchen, die keinen Zugang zu Binden haben, wegen ihrer Periode durchschnittlich 30-40 Schultage pro Jahr verpassen.

In diesem Jahr arbeitet Right To Play mit dem NRC zusammen, um über 9.000 wiederverwendbare Damenbinden an Mädchen unter 16 Jahren zu verteilen und ihnen beizubringen, wie sie ihre eigenen wiederverwendbaren Binden aus lokal verfügbaren Materialien herstellen können. In dem Masse, wie der Zugang zu Hygieneartikeln verbessert wird, werden auch die Schulbesuchsquoten steigen, so dass mehr Mädchen eine Chance auf Bildung erhalten. Damit eröffnen sich für Esperance und Mädchen wie sie eine Welt voller Möglichkeiten.


Diese Aktivitäten sind Teil von "My Education, My Future", einem Programm, das darauf abzielt, Kindern im Grundschulalter, insbesondere Mädchen, die von der burundischen Flüchtlingskrise betroffen sind, einen besseren Zugang zur Bildung zu verschaffen. Und ebenso die Qualität der Bildung zu erhöhen. Das Programm ist seit 2020 in Tansania und Burundi aktiv und wird durch die finanzielle Unterstützung der kanadischen Regierung über Global Affairs Canada ermöglicht.

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