Hörende Hände
Die 13-jährige Ife vermittelt ihren Klassenkameraden wichtiges Wissen zum Thema «sauberes Wasser». Mit ihren Händen visualisiert sie Symbole, Bilder und Buchstaben in der Luft – sie spricht in äthiopischer Gebärdensprache und wenn sie eine Frage stellt, antworten ihr die aufgestreckten Hände ihrer Klassenkameraden. Ife beherrscht die Gebärdenspräche fliessend, ist aber selber nicht gehörlos. Sie setzt sich in Äthiopien dafür ein, dass gehörlose Menschen und Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft integriert werden und machte mit neun Jahren selber den ersten Schritt in diese Richtung.
Ife engagiert sich als «Junior Right To Play Leader» an einer einzigartigen Schule in Addis Abeba, an der Kinder mit Autismus, gehörlose und andere Kindere zusammen lernen. Der Unterricht wird in äthiopischer Gebärdensprache gehalten und die Lehrer wenden die spielbasierte Lehrmethodik von Right To Play an, damit die Schüler auf allen Fähigkeitsstufen abgeholt werden und vom Unterricht profitieren können. Diese Schule bietet den Kindern ein sicheres und kindergerechtes Lernumfeld, in dem sie Kind sein und sich weiterentwickeln können.
Die Lehrer wenden die spielbasierte Lehrmethodik an, damit Kinder mit Autismus, gehörlose und andere Kinder zusammen in der gleichen Klasse lernen können.
Als Junior Leader von Right To Play arbeitet Ife als Übersetzerin und unterstützt neue Schüler beim Lernen der äthiopischen Gebärdensprache. Zudem klärt die 13-jährige ihre Schulkameraden über Themen wie sauberes Trinkwasser und Kinderrechte auf. Im Right To Play Junior Leadership Club trifft Ife gleichgesinnte Schüler/innen, die sich aktiv dafür einsetzen, dass Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten zusammen lernen können. Gemeinsam klären sie Menschen mit Vorurteilen gegenüber Behinderung, Gehörlosigkeit und Autismus auf.
Ifes gehörloser Cousin Samuel hat sie inspiriert und zum Entscheid bewogen, diese besondere Schule zu besuchen. Er ist einer von über 1 Million gehörlosen Menschen in Äthiopien, von denen viele isoliert leben und gegen Vorurteile kämpfen müssen. Ife und Samuel haben entschlossen, sich nicht von diesen Vorurteilen einschränken zu lassen und arbeiten zusammen, um diese gesellschaftliche Hürde abzubauen.
Die Stigmatiserung von Behinderung und Gehörlosigkeit ist in Äthiopien, wie in vielen Teilen der Welt, eine Herausforderung. Selbst in der Hauptstadt Addis Abeba gehen nur wenige Kinder mit speziellen Lernbedürfnissen zur Schule. Die meisten werden von ihren Familien aus Scham zu Hause gehalten und vor der Gemeinschaft versteckt.
Samuel hatte mehr Glück. Als Ife 9 Jahre alt war, begann sie sich selbst die Gebärdensprache beizubringen, um mit ihrem Cousin zu kommunizieren. Das hat die beiden zusammengeschweist – zusammen setzen sie sich für Samuels Bedürfnisse und sein Recht auf Bildung ein. Ifes positive Einstellung zu Samuels Gehörlosigkeit hat zudem seiner Familie gezeigt, dass es keinen Grund gibt, sich für Samuels Gehörlosigkeit zu schämen.
Kinder wie Ife vermindern gesellschaftliche Vorurteile und fördern eine integrative Gesellschaft, in der jedes Kind sein Potenzial entfalten kann.