Ein Mädchen mit einer Stimme ist ein starkes Mädchen
Die 17-jährige Liya lebt in Äthiopien, wo sie die Schule unbedingt abschliessen wollte. Was plausibel klingt, war für Liya nicht selbstverständlich. Um ihren Herzenswunsch zu leben, brauchte sie starke Unterstützung, die sie schliesslich in einer besonderen Mädchengruppe gefunden hat.
Eine Gruppe von 30 Schulmädchen unterhält sich in einem Schulzimmer in Elu Etteya, Äthiopien. Was aussieht wie eine gewöhnliche Diskussion unter Mädchen, ist aber viel mehr. Es ist ein Ort, an dem lebensverändernde Themen besprochen werden.
Das wiederkehrende Thema der Kinderehe ist immer Teil der Diskussionen.
Für die Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren ist das wöchentliche Treffen ein Ort, an dem sie sich sicher fühlen und offen miteinander kommunizieren können. Der zusammen mit Right To Play an der Schule eingeführte «Girls’ Rights Club» bietet Raum für Gespräche über Themen wie die traditionelle Erziehung von Mädchen, finanzielle Hürden beim Kauf von Hygieneartikeln, die unfaire Verteilung der Haushaltsarbeit, weibliche Genitalverstümmelung oder Kinderehen.
Zwei von Right To Play ausgebildeten Lehrerinnen führen die Gesprächsrunden und unterstützen die Mädchen mit Erfahrung, Argumenten und ihrer Solidarität. Sie fördern offene Diskussionen und regen die Mädchen zur Lösungsfindung an. Besonders in ländlichen Regionen wie Elu Eteya ist das wiederkehrende Thema der Kinderehe fast immer Bestandteil der Gespräche.
Eines Tages versuchten Liyas Eltern sie zwanghaft zu verheiraten. Die Kinderehe ist in Äthiopien eine tief verwurzelte Tradition. Das Land steht an 15. Stelle auf der Liste der Länder mit der höchsten Zahl der Kinderehen. Zwei von 5 Mädchen werden zwangsverheiratet bevor sie 18 Jahre alt sind.
Liya wollte nicht heiraten, sondern unbedingt in der Schule bleiben. Im «Girls’ Rights Club» fühlte sie sich sicher genug, um ihre Sorgen mit der Gruppe und den Lehrerinnen zu teilen und schaffte es schliesslich mit der Unterstützung der lokalen Behörde, der Kinderehe zu entgehen.
Durch die Diskussionsgruppe treiben Mädchen Lösungen auch für andere wichtige Themen voran. Wie beispielsweise das Beenden von Belästigungen und respektloser Behandlung durch einige der Jungen und Männer in der Gemeinde sowie den Bau von Umkleideräumen und Latrinen, um Mädchen und Frauen mehr Privatsphäre während ihrer Menstruationstage zu gewährleisten.
«Die Gruppe ermöglicht den Mädchen, ihre Ideen auszudrücken.»
Workie, die Leiterin der Gesprächsrunden verfolgt die positive Entwicklung der Mädchen: «Die Lösungen, die sie finden, basieren meistens auf die Diskussionen in den Gruppen. Vorher konnten die Mädchen ihre Sorgen mit niemandem teilen. Während ihrer Menstruationstage sind sie früher einfach nicht zur Schule gekommen. Der regelmässige Austausch hat den Mädchen gezeigt, dass sie mit ihren Themen nicht alleine sind. Gemeinsam fühlen sie sich stark genug, um diese Hürden zu überwinden.»
«Ein Mädchen mit einer Stimme, ist ein starkes Mädchen", fügt sie hinzu.