GROSSE ZIELE: TAUSEEFS GESCHICHTE
TEAMWORK ZUM SCHUTZ DER JUGEND VOR DROGEN UND KRIMINALITÄT
Es ist Nachmittag in Lyari, einem der am dichtesten besiedelten Viertel in Karachi, Pakistan. Hohe Wohnhäuser ragen in alle Richtungen rund um den Fussballplatz, wo sich Tauseef und eine Gruppe von Jungen zwischen 10 und 13 Jahren Bälle hin und her passen. Lyari ist die geistige Heimat des Fussballs in Pakistan. Viele der erfolgreichsten Spieler des Landes sind aus den überfüllten Strassen hervorgegangen und die Jungs sind hier mit Tauseef, weil sie in die Fussstapfen der Athleten treten wollen, die sie vergöttern.
„DIE GRÖSSTEN PROBLEME DER JUGEND HIER SIND DROGEN UND GEWALT. NIEMAND IST VOR SOLCHEN PROBLEMEN SICHER. SIE SIND ÜBERALL UM UNS HERUM. " - TAUSEEF, 20
Lyari ist auch bekannt für Armut, Drogen und Gewalt, und genau darüber spricht Tauseef mit den Jungs. Jungen aus verarmten Verhältnissen sind ein häufiges Ziel für die Rekrutierung als Drogenhändler, die in den letzten 20 Jahren viele Bandenkriege geführt haben, um die Kontrolle über die lukrativen Drogenmärkte der Nachbarschaft zu erlangen. Wenn sie nicht als Läufer für die Drogenkartelle rekrutiert werden, werden Teenager vorrangig angesprochen, um ihnen Drogen zu verkaufen. Tauseef möchte den Jugendlichen dabei helfen, den Ansprachen zu widerstehen und nach mehr zu streben. „Die grössten Probleme unter Jugendlichen sind Drogen und Gewalt. Niemand ist vor solchen Problemen sicher. Sie sind überall um uns herum. Ich nutze den Fussball als Fortbildungs-Workshops für die Kinder in Lyari, um ihnen zu helfen, sich von diesen Dingen fernzuhalten “, erklärt er.
LEADERSHIP UND ENGAGEMENT LERNEN
Der 20-jährige Tauseef stammt selbst aus Lyari und versteht die Herausforderungen, vor denen die Jungen stehen. Sein Vater war ein aufstrebender Star im lokalen Fussball, bevor ihn die Armut zwang, das Spielen aufzugeben und als Taglöhner zu arbeiten, um die Familie zu unterstützen. Die Familie von Taussef hatte Probleme über die Runden zu kommen, deshalb musste Tauseef als jüngster Sohn mehrmals die Schule abbrechen. Trotz dieser Herausforderung gelang es ihm, der Verlockung des schnellen Geldes durch die Banden zu widerstehen.
Stattdessen verbrachte er seine Freizeit damit, mit seinen Freunden auf der Strasse Fussball zu spielen. Er wollte in die Fussstapfen seines Vaters treten und Fussballer werden. 2015 war Tauseef gerade in die Schule zurückgekehrt, als Right To Play in Lyari ein Programm startete, das den Fussball einsetzte, um Jungen und Mädchen vor Ort dabei zu helfen, Kompetenzen in den Bereichen Selbstvertrauen, Kommunikation und Führungsqualitäten aufzubauen. Tauseef nutzte seine Chance, wurde zum Teilnehmer des Programms und das regelmässige Spielen brachte seine Talente zum Strahlen. Kurz darauf wurde er zum Junior Leader und half Trainern bei der Durchführung der Einheiten. Er trat sogar in den Jugendbeirat ein, dessen Aufgabe es ist, Vorschläge zur Verbesserung des Programms zu machen. Das Engagement und die Disziplin, die er sich bei den Trainingseinheiten im Fussball angeeignet hatte, übertrugen sich wiederum auf seine Schulleistungen. Er begann wieder regelmässig zur Schule zu gehen und seine Noten verbesserten sich deutlich.
Im Jahr 2018 wurde Tauseef ausgewählt, der Jugenddelegation von Right To Play beizutreten, die zum FIFA Foundation Festival nach Moskau reisen sollte. Es war für ihn das erste Mal, dass er Pakistan verliess. In Moskau nahm er mit Tausenden von Jugendlichen an einem internationalen Fussballturnier auf dem Roten Platz teil. In den ersten Tagen protzte Tauseef mit seinen Fähigkeiten und versuchte, seine Teamkollegen zu beeindrucken, aber schnell erkannte er, dass seine Showmanier ihnen nicht zum Sieg verhelfen würde. Er fing an, einige der Lektionen anzuwenden, die er über Zusammenarbeit und Teamgeist gelernt hatte, und die Dinge verbesserten sich zusehends. Es war eines von Tauseefs ersten Spielen mit Mädchen und er erkannte, wie andere ihre Fähigkeiten unterschätzten. Er beschloss, die anderen Jungen zu ermutigen, den Mädchen Pässe zuzuspielen und sie vollständig in das Spielgeschehen einzubeziehen.
NACH HAUSE KOMMEN, UM ETWAS ZU BEWIRKEN
Als Tauseef aus Moskau zurückkehrte, begann die zweite Phase des Football for Development-Programms von Right To Play in Lyari. Er war einer der Ersten, die sich freiwillig als Botschafter für das Programm engagierten. Seine Aufgabe war es unter anderem, Jugendliche in der Gemeinde mithilfe von Fussballtrainings zu erreichen. Er würde sie dazu inspirieren, dem Druck zu widerstehen, sich mit Drogen und Kriminalität einzulassen, indem sie ihre Leidenschaft zum Fussball auslebten, so wie der Fussball ihm einst geholfen hatte.
Seit er als Botschafter angefangen hat, trainiert er jede Woche eine Gruppe von Jungen im Fussball und versammelt sie anschliessend, um über Teambildung, ihre Erfolge und Entwicklungen und über ihre persönlichen Herausforderungen im Leben zu sprechen. Dabei diskutieren sie, wie die Erkenntnisse aus dem Fussball ihnen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen helfen können.
„ICH HABE AUCH DEN TRAUM, EINEN FUSSBALLPLATZ FÜR MÄDCHEN ZU BAUEN. SIE VERDIENEN ES, GENAUSO ZU SPIELEN, WIE WIR. “ – TAUSEEF
Seine Arbeit mit Jungen geht weiter, aber Tauseef möchte seinen Radius erweitern, um auch Mädchen zu helfen. Sie stehen vor den gleichen Herausforderungen, aber sie haben nicht so viele Alternativen wie Tauseef und die Jungen. Tauseef findet das nicht fair und will versuchen, dies zu ändern. Als einer der Trainerinnen des Programms, Farzana, beschloss, ein Berufsausbildungszentrum für Mädchen zu eröffnen, meldete sich Tauseef sofort freiwillig, um sie dabei zu unterstützen. Jetzt hilft er Farzana bei der Öffentlichkeitsarbeit und bietet Gruppen einheimischer Mädchen, die Fussball spielen möchten, Fussballunterricht an. Seine eignen Schwestern helfen ihm dabei, mehr Mädchen für das Training zu gewinnen. Tauseef träumt davon, noch mehr zu tun. Sein nächstes Projekt ist die Schaffung eines Sportplatzes in Lyari, der dem Frauensport gewidmet ist und so einen eigenen Raum schafft, in dem Frauen sich treffen und spielen können. „Ich habe den Traum, einen Fussballplatz für Mädchen zu bauen. Sie verdienen es, genauso zu spielen wie wir “, sagt er.